Sonntag, 13. Dezember 2009

Die Religion, die Demokratie und die diffuse Angst

So ein lästiges Thema ist das heute wieder. Es geschehen so viele Dinge auf dieser Welt, die ärgerlich sind. Ich habe mich auch lange gefragt, soll ich überhaupt darüber schreiben oder nicht, und wenn ja, wie gehe ich das an. Wie schreibt man über offensichtlichen Rassismus, der sich als Demokratie tarnt.
Es hat eine Volksabstimmung gegeben in einem Land, auf das ich nicht überheblich mit dem Finger zeigen will. Ich lebe in einem anderen Land, in dem es auch Hassprediger gibt, die von sich behaupten, aufrechte Demokraten zu sein. Gäbe es bei uns eine Volksabstimmung zu diesem Thema - Minarette ja oder nein - so will ich mir das Ergebnis lieber nicht vorstellen.
Die Frage, die ich mir gestellt habe, lautet: Was ist in einer Demokratie erlaubt? Über welche Themen kann man abstimmen? Kann man über Religion abstimmen? So will ich hier auch nicht über mein Nachbarland schreiben.
Die Menschenrechte sagen zu diesem Thema: Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit des Einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, durch Ausübung und Betrachtung religiöser Gebräuche auszuüben.
Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.
Die Menschenrechte sind Teil der österreichischen Verfassung.
Darüber hinaus gibt es in unserer Verfassung noch Artikel, die die Rechte von anerkannten und nicht anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften regeln. Auch Anhängern nicht anerkannter Religionsbekenntnisse ist die häusliche Religionsausübung gestattet, sofern sie weder rechtswidrig noch sittenverletzend ist.
Soweit die rechtliche Lage, die sehr eindeutig ist. Nun hat es auch in Österreich im Anschluss an diese unsägliche Volksabstimmung Debatten gegeben. Angefangen beim Bundespräsidenten als Hüter der Religonsfreiheit, der sehr klare Worte gefunden hat, bis hinunter zu den kleinen Leuten. Und da wurde es für mich problematisch. Da kamen dann plötzlich Argumente, die mit Religion nichts mehr zu tun haben. Die kommen zu uns, nehmen uns die Wohnungen und die Arbeit weg, die kassieren nur, wenn wir so weitermachen, müssen wir bald alle ein Kopftuch tragen, die wollen sich ja gar nicht integrieren, die sind alle Verbrecher. Kein Wunder, dass es bei uns so zugeht, wenn wir sämtliche Kriminellen mit offenen Armen aufnehmen. Solche Argumente habe ich gehört im Zusammenhang mit dieser Volksabstimmung. Ich behaupte jetzt einfach einmal - ohne es zu wissen - dass die Debatten in der Schweiz ähnlich gelaufen sind.
Unter den Einwohnern Österreichs gehören 4 % dem muslimischen Glauben an. Das österreichische Sozialsystem finanzieren hier lebende Nichtösterreicher genauso mit. Sie zahlen sogar wesentlich mehr ein als sie an Leistungen erhalten.
Zum Argument der Kriminalität gibt es statistische Zahlen, die besagen, dass sich unter den Tatverdächtigen 27 % Ausländer befinden. Diese Zahl begründet sich unter anderem dadurch, dass Ausländer öfter in Untersuchungshaft genommen werden und für ein Delikt, für das Österreicher eine Geldstrafe bekommen, zu kurzen Freiheitsstrafen verurteilt werden. Hingegen sind bei langjährigen Haftstrafen die Österreicher überproportional, gemessen am Bevölkerungsanteil, vertreten. Kriminalität ist keine Frage der ethnischen Herkunft, sondern eher eine Frage des Einkommens und der Bildung.
Zum Argument, dass wir jeden, der nach Österreich will, mit offenen Armen aufnehmen, ist zu sagen, dass Österreich das restriktivste Fremdenrecht von ganz Europa hat.
Zum Argument, dass wir bald alle Kopftuch tragen müssen, siehe weiter oben. Menschenrechte und Verfassung. Solange wir diese Grundrechte achten, erübrigt sich dieses Thema.
Abschließend noch eine kleine Anmerkung. Es fällt mir immer wieder auf, wie viel Energie darauf verwandt wird, Angst und Hass zu verbeiten. Gar nicht einmal nur in Bezug auf Muslime. Auf alle, die ein bisschen anders sind. Man fürchtet sich vor den Muslimen, neuerdings fürchtet man sich vor den Armen, man fürchtet sich vor den Schwulen, man fürchtet sich vor diesen und jenen. Steht das wirklich dafür?

10 Kommentare:

  1. Liebe Margot! Was Du hier niedergeschrieben hast, ist ein brilliantes Plädoyer für die Verteidigung der menschlichen Würde. Wenn ein Land Freiheit und Demokratie auf seine Fahnen schreibt, so gilt dies für alle rechtschaffenden Menschen, egal welcher Hautfarbe und Religion. Das sind die Auswirkungen der von Bush geschürten Hysterie gegen den sogenannten islamischen Terrorismus, die sich auch in Europa verbreitet hat. Hoffentlich lesen sehr viele Deinen Artikel!!
    Liebe Grüße
    Joachim

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  2. Liebe Margot
    Ich bin Schweizerin – und ich bin ganz deiner Meinung. Ich finde, du stellst die richtigen Fragen. Liebe Grüsse, sarah.

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  3. Liebe Margot, auf Deinen Kommentar zu diesem Thema und der Abstimmung in der Schweiz habe ich schon gewartet. So treffliche Worte wie Du hätte ich nicht finden können, Du bringst die Dinge wie immer auf den Punkt. Manchmal denke ich, wenn die Leute weniger Fernsehen schauen und Boulevardblätter lesen würden, sondern das gewichten was sie wirklich selbst erleben und nicht nur im fernsehen sehen oder lesen, sähe vieles anders aus. Vor vielen Jahren habe ich das Abo für die Regionalpresse gekündigt, ich wollte einfach nicht mehr lesen, dass wieder einer Oma die Handtasche geklaut wurde. Täglich solche Meldungen und man denkt, dass es nur noch Verbrechen gibt. 80% des Fernsehprogramms scheinen Krimis zu sein, wieder Morde und Gewalt, da kriegt man echt einen schiefen Eindruck...So ähnlich funktioniert es eventuell auch mit der Fremdenfeindlichkeit und der Ablehnung anderer Religionen. Wenn ich Berichte lese oder Gespräche von Personen zu diesen Themen mitbekommen, die so verlaufen wie von Dir beschrieben , möchte ich die Leute manchmal wirklich schütteln und ihnen mehr Gelassenheit und Abstand wünschen und fragen, ob sie wirklich schon konkrete Situationen erlebt haben oder ob sie ihr Halbwissen nur unreflektiert aus den Medien beziehen. LG Kuestensocke

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  4. Nun ja, das mit der Glaubensfreiheit ist eine Sache, aber wenn sie Deutschland, Österreich und die Schweiz mit ihren Moscheen zupflastern, das ist ne ganz andere. Die würden uns in ihrer Heimat nie im Leben ne chritliche Kirche erlauben. Mal ganz abgesehen davon, dass der Ruf vom Muezin, oder wieder Typ heißt, auf Dauer ganz schön nervtötend ist.

    Ich will damit nicht von Ausländerhass erfüllt wirken, es geht mir mehr ums Prinzip. Wenn sie hier alles dürfen, wir uns bei denen aber unterordnen MÜSSEN, hat das nichts mehr mti Gerechtigkeit zu tun.

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  5. Ich finde, Religion sollte Privatsache sein, dann würde den Hasspredigern schon der Nährboden entzogen. Es gibt nicht nur das Christentum und den Islam, daneben gibt es unzählige andere Religionen und jede will da irgendwelche Kirchen aufstellen. Warum können die Leute nicht zu Hause in ihren Wohnungen beten? Ich selbst betrachte jeden Menschen nicht als Christ, Muslim, Buddhisten oder Atheisten, sondern ich sehe mir an, wie er sich gegen seine Mitmenschen verhält, ob er sie toleriert, hilfsbereit ist usw.
    Und ich sehe auch nicht die Schweizer als intolerantes Völkchen an, sondern kann auch ihre Angst vor dem radikalen Islam gut verstehen...ob das nun berechtigt ist oder nicht...

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  6. Liebe Margot, mutig und durchdacht. Mir fehlt momentan die weltliche Orientierung, alles darf, alles geht unbegrenzt?, nichts wird toleriert, alle wollen alles und am Besten gleich. Alle Menschen werden Brüder...ein Grundgedanke, wir sind weit weit weg davon. Humanität ein Wort das in Vergessenheit gerät.Naturverbundenheit ebenso. Ein Gipfel nach dem andern, wenig Umkehr. Fremdenhass aus der Angst heraus vertieft sich. Du hast recht. Wer hat den Überblick? Hoffnung ist der einzige Weg...liebe Grüße Manuela

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  7. Liebe Margot, Du hast das genau auf den Punkt gebracht und die richtigen Worte gefunden.
    In meinem Wohnort, ein Ortsteil von Wiesbaden mit sehr hohem Ausländeranteil, ist eine wunderschöne Moschee gebaut worden, wobei freiwillig auf den Bau von Minaretten verzichtet wurde. "Freiwillig" - denn die Republikaner machen hier 15% (!)aus und haben schon die Messer gewetzt. Nun tun sich alle hier großmütig - wie verlogen.
    Aus einem ganz anderen Grund gefallen mir Minarette nicht, aus dem selben Grund gefallen mir aber auch Kirchtürme nicht: die Lärmbelästigung!
    Herzliche Grüße, Xammi

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  8. Liebe Margot, ich kann jetzt nicht alles lesen muss ins bett bin wieder krank aber ich hole es nach; weisst doch; ich lese gerne wenn du schreibst. Wollte mich nur zurück und wieder krank melden.
    Ganz liebe Grüße und das du nicht zuviel von dem weissen Zeug abkriegst, weiss doch das gefällt dir nicht.

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  9. Hallo Margot,

    ich lese deine ernsten Artikel immer wieder gerne, auch wenn ich zu diesem hier nicht viel sagen kann. Diese Volksabstimmung ist an mir hier unten total vorbei gegangen. Habe davon nichts mitbekommen. :-(
    Prinzipill bin ich aber gegen jede Art von Ausgrenzung. Seien es nun Ausländer, Schwule oder sonst welche andersartige. Nur leider liegt es in der Natür das Menschen alles zu verurteilen, was er nicht versteht...
    Liebe Grüße,

    Steffi

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  10. Liebe Alle! Über jeden einzelnen Kommentar, der hier eingelangt ist, habe ich mich sehr gefreut. Wirklich über jeden. Es ist hier fast eine Diskussion in Gang gekommen, wie sie im echten Leben auch stattfindet. Ich möchte auch ausdrücklich betonen, dass ich es akzeptiere, wenn jemand anders denkt als ich. Zensur gibt es hier nicht, ich habe die Kommentare noch nie moderiert, und solange ihr euch nicht gegenseitg beleidigt, wird das auch so bleiben.
    Joachim, die Menschenwürde ist ein hohes Gut. Wer die Würde anderer nicht achtet, büßt auch sehr viel von seiner eigenen Würde ein. Das beruht natürlich auf Gegenseitigkeit. Auch ich selbst erwarte mir, respektiert zu werden.
    Sarah, ich freue mich sehr, dass du hierher gefunden hast. Es liegt mir auch fern, die Schweizer zu diffamieren.
    Antje, auch die Presse trägt sehr viel bei zu diesem Klima der Ablehnung. Ich denke auch, dass manche Menschen tatsächlich negative Erlebnisse gehabt haben, die sie dann verallgemeinern und als typisch für die Türken beispielsweise sehen. Manchmal sind es Kleinigkeiten. So hat mir kürzlich eine Bekannte erzählt, ihre Nachbarn, die keine Österreicher sind, hätten im Keller ihre Kühltruhe deponiert, und nun müssen alle im Haus dafür Betriebskosten zahlen. Nachsatz: Typisch Ausländer, Österreichern würde so etwas nie einfallen. Ich hatte einmal eine Nachbarin, Österreicherin, die im Keller ihre Kühltruhe aufgestellt hat. Da sagt dann niemand, typisch Österreicher.
    Ghost, deine Meinung teile ich nicht, weil ich nicht als Maßstab hernehmen kann, was in anderen Ländern verkehrt läuft. Weil andere das machen, müssen wir deswegen auch so werden?
    Sica, ich selbst bin nicht religiös, aber ich erkenne es an, dass Religion für viele Menschen ein Grundbedürfnis ist. Religionen haben sogar überall auf der Welt in der Menschheitsgeschichte einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Kultur geleistet, was vom Nachdenken über den Tod ausging. Grob gesagt war der Totenkult der Grundstein für jede Zivilisation. Es hätte auch anders laufen können. Religion ist den Menschen zu wichtig, als dass sie reine Privatsache sein könnte. Allerdings war Religion auch immer ein Anlass für Barbarei, auch das überall auf der Welt. Auch ich träume von gegenseitigem Respekt und Toleranz, wobei man da bei sich selbst beginnen muss.
    Manuela, Hoffnung wünsche ich mir sehr. Nur ein Wort, sagen manche, aber ohne Hoffnung geht gar nichts.
    Xammi, ganz hier in der Nähe seht eine Kirche. Alle 15 Minuten läuten die Glocken, ihr Sinn ist, uns an Gott denken zu lassen. Auch deshalb frage ich mich, ist es wirklich so schlimm, wenn fünfmal am Tag jemand zum Gebet ruft?
    Kerstin, falls du reinschaust: Gute Besserung!!!
    Steffi, die Natur des Menschen, die ist auch so ein Thema. Einfach dagegen sein, obwohl man sich gar nicht damit befasst hat. Das ist nicht nur bei der Religion so, das passiert sehr oft.
    Auf jeden Fall euch allen, die ihr hier so offen eure Meinung geäußert habt, vielen Dank!
    Liebe Grüße von Margot

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Ich freue mich, dass ihr bis hierher gelesen habt und freue mich noch mehr, wenn ihr eure Meinung dazu sagt.