Samstag, 1. August 2009

Die Karriere

Diese Woche war ich einmal mit einem Freund essen. Ich kenne ihn schon lange, so einiges haben wir miteinander erlebt. Das Essen war gut, die Gespräche anregend, ein schöner Abend war es.
Wie das oft so ist, wenn ich mich mit ihm treffe, kam die Rede dann auch auf die Politik. Die interessiert ihn sehr, in jungen Jahren hatte er auch eine kleine Funktion bei einer Partei, welche ist egal, als kleiner Anhaltspunkt vielleicht, dass er aus einer sehr christlichen Familie stammt und sehr gläubig ist. Da kann ich nicht mithalten, gläubig bin ich nicht, aber ich respektiere seinen Glauben, den er immer wieder auch kritisch hinterfragt und der sehr wenig mit der Amtskirche zu tun hat. Unserer Freundschaft tut das keinen Abbruch. Seine politische Karriere scheiterte daran, dass er einen sehr sturen Kopf hat und zu seinen Überzeugungen steht, was in einem Parteiapparat, so denke ich mir, nicht so gefragt ist. Die Kunst der feinen Diplomatie beherrscht er auch nicht. Was nicht sehr karriereförderlich ist, aber ein wesentlicher Grund für unsere Freundschaft. Auch bei mir eckt er immer wieder an mit seinen Ansichten, doch ist das nicht freundschaftsgefährdend. Wenn er eine mir seltsam erscheinende These vorträgt, dann schnaufe ich einmal kurz, denke darüber nach und trage dann meine konträre These vor, woraus sich dann oft hitzige Debatten entwickeln, in deren Verlauf er oder ich von unserer Position abrücken oder auch nicht. Auf jeden Fall ist eine Begegnung mit ihm gut für den Kopf.
Aber darüber wollte ich eigentlich gar nicht schreiben. Dieses Mal wollte er mir einreden, dass ich doch in die Politik gehen sollte. Wegen der Möglichkeit mitzugestalten. So ganz von der Hand zu weisen ist dieses Argument nicht. Für gewöhnlich nimmt man hin, was beschlossen wird, mault über dieses und jenes, die guten Beschlüsse lässt man gerne unter den Tisch fallen, weil man lieber mault, und letztendlich hat man gar nicht so viel Einfluss, außer auf dem Weg der Stimmabgabe. Aber leider, leider. Da fehlt mir einiges. Die Kunst der feinen Diplomatie beherrsche ich auch nicht. Sie ist für mich behaftet mit dem Ruf, die Kunst des Sichverbiegens zu sein. Das kann ich nicht. Das halten meine Nerven nicht aus. Zu vielen Menschen bin ich begegnet, die auf ihrem Weg nach oben in welcher Parteihierarchie auch immer feststellen mussten, das ihr Rückgrat nicht stabil ist. Falls sie es überhaupt feststellen. Vermutlich verlernt man dann auch mit der Zeit, auf Kritiker zu hören, möglicherweise auch deshalb, weil man ständig mit Kritik konfrontiert wird. Also wird es wohl nichts werden mit meiner politischen Laufbahn. Eher mit meiner Karriere als Regalbetreuerin.

8 Kommentare:

  1. Naja, als Regalbetreuerin lebt man sicher auch viel ruhiger als als Politiker... könnte ich mir vorstellen.

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  2. Eben deshalb nimmt man wohl die meisten Politiker nicht ernst, weil sie eben nicht den Eindruck machen, überhaupt eine Überzeugung zu haben, sondern ihr Mäntelchen ständig nach dem Winde drehen. Motto:Bloss nicht anecken!
    Irgendwie sind mir die Menschen, die den Mut haben, zu ihrer Meinung zu stehen, auch wenn sie andere damit vor den Kopf stossen, sympathisch...

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  3. Liebe Margot!
    Meine erste Schwiegermutter war auch stets der Ansicht, dass ich mit meinem kraftvollen Mundwerk aktiv einer Partei anschließen solle. Denke schon, dass es auch mich zeitweise gereizt hat. Zeitweise!
    Da ich aber nicht mit den "Wölfen" heulen kann - und das ist in diesem Metier unumgänglich - habe ich diesen Gedanken auch nicht ernsthaft verfolgt.

    Wünsche Dir und Deinem Lieblingsmann ein entspanntes Wochenende!LG Anna

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  4. Ghost, ich lade jeden Politiker ein, einmal eine Woche mit mir zu tauschen. Gutes Schuhwerk sollten sie allerdings nicht vergessen.
    Sica, mir sind die auch sympathisch, die, die zu ihren Überzeugungen stehen. Man kann ja dazulernen, aber das Fähnchen in den Wind hängen, das finde ich nicht so toll.
    Anna, diesen Gedanken habe ich auch niemals ernsthaft verfolgt. Die Kompromisse, die man gezwungernermaßen schließen muss, wenn man einer Organisation angehört, die viele Mitglieder hat, schrecken mich sehr ab.
    Liebe Grüße euch allen und einen schönen Sonntag von Margot

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  5. Liebe Margot,auch ich grüble immer mal mehr oder weniger über meine Politik- Verdrossenheit nach.Schwanke auch immer mal wieder zwischen aktiver werden oder Resignation - weil es ja doch nicht wirksam sein könnte....
    Seufz....Deine besondere Freundschaft, mit diesem regem Austausch ...das klingt einfach super.Ich habe das gern gelesen und kannte auch einen solchen Freund. Verlor ihn - andere Gründe die nicht hier her gehören- und fand einen neuen Freund zum austauschen. Männliche Sicht und Denkweisen sind sehr faszinierend.Ich lebe diesen Austausch momentan seit zwei Jahren in schriftlicher Form mit einem Freund in Aachen und es bringt mich in der Auseinandersetzung mit den verschiedensten Themen auch weiter.lg Manuela

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  6. Die Politikverdrossenheit, manchmal könnte sie einen schon packen. Aber so ganz desinteressiert zu sein, das schaffe ich nicht.
    Männliche Sichtweisen sind manchmal sogar dringend notwendig, denke ich. Im Idealfall wäre es eine Ergänzung, sowohl für die Männer als auch für die Frauen.
    Liebe Grüße von Margot

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  7. Mein Thema....
    Ich bin aus diesen Gründen in die (Sozial)Politik gegangen - und habe sie dann, nach einigen Jahren, auch aus eben diesen Gründen wieder verlassen.
    Ein wenig konte ich bewegen - also war es nicht umsonst.
    Aber letztendlich, wenn man wirklich etwas bewegen will, muß man sich arrangieren- mit den Wölfen heulen - und ist dann irgendwann gefangen in diesem Netz von Abhängigkeiten und Eigenfürsorge und abgehoben, fern der Basis.

    So isses - traurig, aber wahr.

    Obwohl - wenn mehr Menschen diesen Weg innerhalb der Legislative beschreiten würden, und sei es auch nur für eine kurze Strecke - dann würde sich, in der Summe gesehen, sicher etwas tun.

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  8. Und was ist dir geblieben, mo? Abgesehen von der Enttäuschung, war da noch mehr? Ein reines Gewissen vielleicht? Oder die Gewissheit, etwas bewegt zu haben?
    Mehr Menschen auf diesem Weg, hm, das wird ein ziemliches Gedränge. Ich fürchte, dass sich dann die durchsetzen, die die stärksten Ellbogen haben.
    Sei ganz herzlich gegrüßt! Deinem Idealismus werde ich einen Ehrenplatz einräumen, weiß noch nicht, ob im Kopf oder im Herzen.

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Ich freue mich, dass ihr bis hierher gelesen habt und freue mich noch mehr, wenn ihr eure Meinung dazu sagt.