Samstag, 16. Mai 2009

Lokalaugenschein

Rolf hat da gestern einen leidenschaftlichen Appell geschrieben. Es ging dabei um einen Aufruf zum Boykott chinesischer Produkte. Er bezog sich dabei auf einen Artikel im Blog von Balrog (diesen hier), einen Zeitungsbericht über Sklaverei in Nepal, den Balrog aus welchen Gründen auch immer in einen Zusammenhang mit dem Dalai Lama gesetzt hat. Naja, egal, darüber will ich mir jetzt nicht auch noch den Kopf zerbrechen, Jürgen entschuldige bitte, ich lese manche deiner Artikel mit großem Interesse.
Jedenfalls haben wir gestern noch einen Lokalaugenschein gemacht. In einem chinesischen Restaurant. Auf meinem Teller befand sich knuspriges Schwein in Mandelkruste, garniert mit Gurken- und Zitronenscheibchen, auf des Lieblingsmannes Teller war zu finden gebackene Scholle, ebenfalls mit Gurken- und Zitronenscheiben. Dazu Reis und Knoblauchsauce. Das Schwein war vermutlich ein Mastschwein aus Massentierhaltung, vielleicht sogar aus Österreich, doch vermute ich, dass es zum Schlachten mit dem Lastwagen nach Griechenland geführt wurde, anschließend zum Säubern und Zerlegen nach Holland, von dort weiter nach Lettland, um verpackt zu werden, und anschließend wieder nach Österreich zum Großhändler, von wo aus es seinen weiteren Weg auf meinen Teller fand. Die Mandeln dürften aus dem Mittelmeerraum stammen. Die Scholle möglicherweise aus dem Pazifik. Die Gurken waren Feldgurken, die Wahrscheinlichkeit, dass es österreichische Gurken waren, ist hoch. Die Zitronen würde ich in Spanien ansiedeln, geerntet von illegalen Flüchtlingen aus Afrika, die dort aufgrund ihres rechtlosen Daseins zu durchaus sklavenartigen Verhältnissen arbeiten bzw. ausgebeutet werden. Der Reis war vermutlich wirklich aus China. Beim Knoblauch ist es leicht möglich, dass er aus Österreich stammte.
Dieses Chinarestaurant gibt es seit ca. 15 Jahren, es ist bei mir in der Nachbarschaft. Seit 15 Jahren gehe ich dort gerne hin. Das Pächterehepaar hat dort in sehr jungen Jahren angefangen, sie war eine strahlende junge Frau damals, der Schalk leuchtete ihr aus den Augen, und sie war voller Begeisterung für die großartige Zukunft, die sie gedachte, sich hier in Österreich aufzubauen. Er war auch ein freundlicher junger Herr, ein bisschen ein Filou, mit stoppeligen schwarzen Haaren und einem kleinen Bäuchlein. 15 Jahre sind seitdem vergangen, auch das Strahlen in den Augen ist vergangen. Drei Kinder haben sie in dieser Zeit großgezogen, so ganz nebenbei, während sie jeden Tag in ihrem Restaurant standen und freundlich die Gäste bedienten. Ermöglicht wurde das durch die Großmutter (ich vermute, dass es die Großmutter war, mit der ich einmal im Bus geplaudert habe). In letzter Zeit haben ihre Gesichter kleine Fältchen bekommen. Sie sind auch älter geworden, aber ich glaube, dass da auch ein paar Sorgenfältchen dabei sind, was allerdings nichts an ihrem immer gleichen freundlichen Lächeln ändert. Sorgen haben im Gastgewerbe nichts verloren, das interessiert die Gäste nicht.
Ich weiß, das ist jetzt keine Antwort auf Rolfs Frage, das ist einfach nur eine kleine Episode aus meinem Leben. Und ich werde dieses Restaurant auch in Zukunft aufsuchen.


Zum Abschied bekam ich dann noch ein kleines Geschenk. Ich weiß nicht, wonach sich das richtet, manchmal gibt es ein Geschenk, manchmal keines, vielleicht ist das auch ein Gradmesser für die Befindlichkeit der Wirte. Was aber dieses Schriftzeichen bedeuten soll, davon habe ich keine Ahnung. Kulturlose Langnasen vielleicht?

8 Kommentare:

  1. Hallo Margot,

    irgendwie macht mir dein Artikle ganz schön nachdenklich. Ich frag mich, wie vielen Einwanderern es wohl so geht und wieviele wirklich das Leben führen, dass sie sich erträumt haben... Ich fürchte die kann man an einer Hand abzählen.
    Liebe Grüße,

    Steffi

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  2. Na das kann doch ein Blinder ohne Armbinde ertasten was das heisen soll liebe Margot....
    "Maden" in China.... ;-)

    Guten Morgen.


    Ich gehe auch gerne zum Chinesen. Um nicht zu sagen...ich liebe die chinesische Küche. Zumindest das was ich davon kenne und auch dafür halten darf. Diese Küche wurde ja im laufe der Jahre zum Glück auf unseren empfindlichen europäischen Mägen ab-und eingestimmt. Bei "original" chinesisch wüsste ich nicht so genau ob ich gleich, oder erst hinterher auf das WC rennen würde.

    Aber es ging und geht nicht nur um chinesischeProdukte. Vielmehr darum, Produkte aus Ländern, in welchen z.B. entsprechend ersichtlich ist, das Kinderarbeit. kindesmissbrauch ect. zum guten Ton gehört und an der Tagesordnung steht. Mir ist klar, dass dies äusserst schwierig und auch vielleicht mit einem finanziellem Aufwand verbunden wäre. Schliesslich sind ja dank der Globalisierung die Regale mit Produkten aus der ganzen Welt gefüllt.Aber als Endverbraucher könnte man sich zumindest auch darüber mal Gedanken machen und sein Kaufverhalten etwas dananch richten.
    Interessant wäre auch noch zu erwähnen, das als es um den "Rinderwahn" ging, die meisten aufeinmal nicht nur schimpften, sondern auch entsprechende Produkt mieden. Logisch. Es lag ja eine Gefährdung der "persönlichen" Gesundheit vor. Aber bei einer Hose oder einem Hemd aus einem jeweiligen Land z.B. ist ja nicht die eigene Gesundheit betroffen. Hier geht es dann meistens auch nur um den Preis. Aber genauso wie die Meinungen und Geschmacksrichtungen in persönlichen Dingen oftmals sehr unterschiedliche Wege gehen, so verschieden sind auch hier die Meinungen und auslegungsweisen meines Aufrufes. ;-)

    Dir noch ein schönes Wochenende und liebe Grüsse nach Salzburg


    PS: dein global in der österreichischen Küche Made in China beschriebens Essen, klang richtig lecker. ;-)

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  3. Hallo Margot, da habe ich ja was losgetreten. So, wo fange ich denn an? Ach ja, mit dem Dalei Lama. Den habe ich nur hinzu gezogen, weil ich vielleicht durch den Film Sieben Jahre Tibet einen etwas verklärten Blick für Nepal hatte. Ups, schmeiße ich jetzt Tibet und Nepal durcheinander? Keine Ahnung, ist auch egal. Später hat mich Nepal interessiert, da es dort irgenwo das Basislager für die Mount Everest Expeditionen gab. Das war so eine Phase von mir. Ich wollte also nicht den guten Dalei Lama schlecht machen. Ich hatte in dieser Zeit nur Alltags- Gesellschaftsprobleme in Tebet ausgeblendet. Nach dem ich diesen Artikel dann gelesen hatte, war ich sehr bestürzt... Dies zur Aufklärung.
    Deinen Artikel finde ich sehr gut. Ich bin der Anicht, dass man zwar beim täglichen Einkauf darauf achten, dass es biologisch, aus der Region, Verpackung etc. achten. Man sollte sich aber auch nicht gängeln lassen, sonst wird man ja nicht mehr fertig.....
    Liebe Grüße vom Jürgen

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  4. Hallo Margot, das mit dem Essen von woher und wie, verfolgt mich zwischenzeitlich auch manchmal. Absolut nachdenklich hat mich der Dokumentarfilm - We Feed the World gemacht. Ansonsten esse ich was ich mag, kann genauso wenig wie jeder andere immerzu nachfragen..woher..und wohin....
    Link zum Film:
    http://www.we-feed-the-world.at/...auch Bilder die absolut - die nachdenklich stimmen....wohin das führen soll??????Deien Auseinandersetzung damit hier im blog fand ich ausgesprochen gut, es betrifft uns alle beim täglichen Einkauf, nicht nur im Restaurant.;-) lg Manu
    P.S. Filmvorstellung erfolgt im blog;-)

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  5. Hallo Margot!
    Ich denke, man sollte sich grundsätzlich vor Verallgemeinerungen schützen! Wenn ich mich für eine Sache engagieren will, tue ich es auch. Aufrufe zum kollektiven Streiken sind nicht wirklich mein Ding (von wenigen Ausnahmen abgesehen!), aber...letztendlich muss es jeder für sich selbst entscheiden!

    Hoffe, dass das Menü gemundet hat!
    Beim Lesen ist mir auf jeden Fall das Wasser im Mund zusammengelaufen...knuspriges Schwein auf Mandelkruste würde ich jetzt auch nicht vom Teller schuppen!!

    Einen gemütlichen Abend wünscht Dir Anna

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  6. Steffi, ich bin mir gar nicht so sicher, ob das ein typisches Einwandererschicksal ist. Vielleicht ist es ein ganz typischer Lebensweg, wie er einem passieren kann, wenn man im ewig gleichen Alltagstrott feststeckt.
    Rolf, über das Boykottthema haben wir uns ja schon ausführlich unterhalten. Ich bin nach wie vor am Denken, denn ganz von der Hand weisen kann ich deine Argumentation auch wieder nicht. Die chinesische Küche liebe ich sehr, aber nicht nur die, sondern generell das Essen. Wäre aber interessant, einmal direkt in China ds Essen auszuprobieren. Da gibt es sicher eine Vielfalt, die wir uns hier gar nicht vorstellen können. Falls sich das mit dem Boykott vereinbaren lässt.
    Jürgen, das mit dem Dalai Lama musste ich einfach anbringen, und wenn es nur darum geht, zu beweisen, dass ich mitdenke. Und dein Einkaufsverhalten finde ich wesentlich sinnvoller als einen Boykott, so ganz global gesehen.
    Manuela, Filme schaue ich mir selten an, aber den hier habe ich damals gesehen. War sehr beeindruckend. Das kurz angeschnittene Thema der afrikanischen Flüchtlinge stammt aus "Gestürmte Festung Europa" von Corinna Milborn. Interessantes Buch.
    Ja, und Anna, Verallgemeinerungen können sehr gefährlich sein. Bei diesem Thema vielleicht nicht so sehr, bei anderen sehr wohl. Habe dem lieben Rolf auch zwei Kommentare zu diesem Thema geschrieben, weil ich dachte, das kann man so nicht stehen lassen. Da fehlt noch was. Das Menü hat hervorragend gemundet. Ich hoffe, deinen Blessuren geht's wieder besser!
    Liebe Grüße euch allen

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  7. Hallo Margot ich esse auch hin und wieder beim Chinesen. Und was das Boykottieren von Artikeln aus bestimmetn Ländern ist, ist ja nahezu unmöglich. Selbst wenn man meint ein deutsches Produkt, weil deutscher Firmenname, wird man entäuscht, wenn dann an der Unterseite des z.B. Spielzeugautos "Made in China" zu lesen ist. Sind doch nur noch Mogelpackungen unterwegs. Ich finde deinen Artikel sehr schön geschrieben, regt zum Nachdenken an ohne aufdringlich zu sein. LG Volker

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  8. Volker, freut mich, wenn's dir gefallen hat. Ja, Mogelpackungen gibt es viele. In letzter Zeit fällt es mir immer öfter bei den Büchern auf. Printed in China steht da sehr oft drin.
    Liebe Grüße

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Ich freue mich, dass ihr bis hierher gelesen habt und freue mich noch mehr, wenn ihr eure Meinung dazu sagt.